EU will digitalen Euro beschleunigen – kommt dann die totale Kontrolle?

Die Europäische Union macht beim Projekt eines digitalen Euro offenbar Tempo. Auslöser ist ein Schritt der USA: Mit dem sogenannten Genius Act haben die Vereinigten Staaten erstmals einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen für Stablecoins geschaffen – also Kryptowährungen, deren Wert an staatliche Währungen wie Dollar oder Euro gekoppelt ist.

In Brüssel wächst nun die Sorge, den amerikanischen Anbietern das Feld zu überlassen, wenn die Einführung des digitalen Euro weiter auf sich warten lässt. Laut einem Bericht der Financial Times denken EU-Beamte deshalb über eine grundlegende Kursänderung nach. Bislang war vorgesehen, den digitalen Euro auf einer eigenen, von der Europäischen Zentralbank (EZB) kontrollierten Blockchain zu entwickeln. Nun wird jedoch diskutiert, ihn auf einer bereits etablierten öffentlichen Blockchain wie Ethereum oder Solana aufzubauen.

Ein solcher Schritt wäre bemerkenswert, da öffentliche Blockchains völlig transparent funktionieren: Jede Transaktion wird dezentral gespeichert, ist nachträglich nicht veränderbar und kann von jedem Nutzer eingesehen werden – wenn auch in verschlüsselter Form.

Kritiker warnen allerdings, dass durch die Nachvollziehbarkeit der Wallet-Adressen Rückschlüsse auf einzelne Nutzer gezogen werden könnten – und auf ihr Finanz-Verhalten.

Befürworter verweisen hingegen auf die hohe Sicherheit, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit dieser Systeme, die sich bereits bei etablierten Stablecoins wie Tether oder Circle bewährt haben.

Internationale Entwicklung setzt Brüssel unter Druck

Dass Brüssel den Druck spürt, zeigt auch die internationale Entwicklung: In China ist die Einführung eines digitalen Yuan bereits weit fortgeschritten, in Großbritannien wird zumindest über ein digitales Pfund diskutiert. Europa hingegen riskiert, ins Hintertreffen zu geraten – zumal Dollar-Stablecoins weltweit schon jetzt eine Marktkapitalisierung von mehr als 280 Milliarden Dollar erreicht haben.

EZB-Ökonom Jürgen Schaaf warnte unlängst in einem Blogbeitrag, dass die zunehmende Verbreitung von US-Stablecoins in Europa die geldpolitische Steuerung der EZB schwächen könnte. Würden Dollar-Stablecoins im Euroraum sowohl für Zahlungen als auch zum Sparen oder Abrechnen genutzt, drohe der Euro an Einfluss zu verlieren. „Je größer ihre Verbreitung ist, desto schwieriger wäre es, sie wieder zurückzudrängen“, so Schaaf.

Mit einem eigenen digitalen Token könnte die EZB dieser Entwicklung gegensteuern und zugleich die Position Europas im globalen Wettbewerb um digitale Währungen sichern. Noch ist offen, ob sich Brüssel tatsächlich für eine radikale Öffnung Richtung öffentlicher Blockchains entscheidet.

Zu befürchten ist: Mit dem digitalen Euro wird auch die totale Kontrolle möglich.